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GESTALTUNG GEOGRAPHISCHER GEHEIMNISSE

Landschaften von Wolfgang Sinwel und Udo Steigner

Seit mehr als 500 Jahren haben Landschaften als zentrales Thema die Arbeit von Künstlern inspiriert. Ausgehend von der Entdeckung des Tiefenraumes in der Renaissance über die niederländische Malerei des 16. und 17. Jahrhunderts und die Zeit der Romantik bis hin zur abstrakten und surrealen Kunst der Gegenwart hat das Sujet "Landschaftsmalerei" nicht mehr an Bedeutung verloren. Bei der Vielfalt an Stilrichtungen und Intentionen ist es kaum vorstellbar, daß neue künstlerische Impulse in diesem Bereich geschaffen werden könnten. Wer jedoch die derzeit in der Homburger Galerie Monika Beck ausgestellten Arbeiten von Wolfgang Sinwel und Udo Steigner betrachtet, wird seine Meinung revidieren müssen.

Der Österreicher Wolfgang Sinwel und der Saarländer Udo Steigner bearbeiten das Thema Landschaft wie es unterschiedlicher kaum sein könnte.

Während Sinwel zum Mittel der Malerei greift, verwendet Steigner die Fotografie mit der Camera obscura, der altertümlichen Lochbildkamera, zur Realisierung seiner künstlerischen Intention. Wo der österreichische Künstler den Blick aus der Ferne auf die Landschaft richtet, schafft der Saarländer eine beinahe greifbare Nähe zu seinen Motiven. Traditionelles künstlerisches Handwerk mit Pinsel und Farbe auf der einen Seite kontrastiert mit dem digital weiterbearbeiteten Ergebnis komplexer chemischer und physikalischer Prozesse.

Trotzdem lassen sich die Arbeiten der beiden Künstler nicht einfach in die Schubladen Tradition-Moderne einordnen. Zu differenziert ist das Gedankenmodell, das sich hinter dem zunächst Augenscheinlichen verbirgt. Wolfgang Sinwel sieht sich gerne selbst als "Landschaftsmaler biedermeierlicher Prägung", und wirklich, die grundlegende Idee der Bildkomposition scheint aus dieser Epoche übernommen zu sein.

In erster Linie ist es der Blick von oben, der Assoziationen an die romantische Sichtweise von Künstlern wie beispielsweise Caspar David Friedrich schafft. Sinwel begnügt sich jedoch nicht damit, auf einen Berggipfel zu steigen, sondern verlegt die Malperspektive in luftige Höhen von fünftausend Metern und begibt sich manchmal sogar in die Erdumlaufbahn. So sieht der Betrachter Landschaften mit einem Horizont von 50 bis 60 Kilometern, bei den Satellitenbildern sogar von mehreren hundert Kilometern.

Udo Steigner hingegen nähert sich seinen Motiven aus der Perspektive, wie wir sie allerorts von Urlaubspostkarten kennen. Er hat sich die tropische Insel Tobago zum Thema genommen und sie in ihrem derzeitigen ursprünglichen, beinahe unberührten Zustand dokumentiert. Durch die Verwendung der Lochbildkamera entsteht ein nostalgisch anmutender Effekt, Hinweis darauf, daß die unberührte Natur durch den hemmungslosen Ausbau des Tourismus schon bald der Vergangenheit angehören wird.

Und so findet sich schließlich der Hauptunterschied in der Betrachtungsweise der beiden Künstler.

Während Sinwel neue Landschaften aus seiner Phantasie kreiert und die Umwelt als ein Ergebnis seiner emotionalen Prozesse auf die Leinwand bringt, ist Udo Steigners Anliegen die Konservierung eines gerade herrschenden Zustandes. Sinwels Arbeiten zeigen den Raum in einem scheinbar zeitlosen Schwebezustand, von Steigners Standpunkt aus werden Zeit und Vergänglichkeit zu einer ebenso festen wie schmerzhaften Größe.



 
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