kommentare/rezensionen

AUS DER SCHWERELOSIGKEIT AUF DIE WELT SCHAUEN

Der Maler entwirft ein leuchtendes Panorama des Blauen Planeten aus der Perspektive eines Raumschiffs

Fliegen, so wie Vögel fliegen und ganz ohne technisches Gerät, schwerelos von oben auf die schöne Welt schauen, Weite vor sich haben, die allemal glücklicher macht als Nähe, das war für den kleinen Wolfgang Sinwel früh schon eine Lebenstraum. Später wurde er Maler und begann, sich eine Version dieses Traums mit Pinsel und Farbe zu erfüllen.

Dass solches dann doch niemals wirklich schwerelos vonstatten geht, muss er früh begriffen haben: In einem gut gemachten Katalog, der in der jüngst eröffneten Ausstellung mit Arbeiten des gebürtigen Wieners in der Galerie von Thomas Hettlage in Grünwald ausliegt, wurde ein Foto von Sinwel als Bub aufgenommen, eine Flugzeugskizze ausmalend. Doppeldeutiger Titel des Katalogs, der dem Maler mehr als gerecht wird: "die seele aus der hand lassen".

Sinwel, der in Wien an der Akademie bei Professor Hausner studiert hat, arbeitet mit altväterlichen Lasurtechniken, mit denen er eine hintergründig leuchtende, fast unvorstellbar nuancenreiche Farbenvielfalt erschafft. Das weite Land, auf das der Betrachter herunterblickt, trägt in sich alles, was die Haut unseres blauen Planeten ausmacht: Tal und Strom, Ozean und See, sanft gehügelten Wald, von Menschen geschaffene Schneisen und Karrees wie auch mystische Nebelschwaden, die sanft verhüllen und verzaubern, was darunter liegt. Unwillkürlich denkt man an den Ausspruch eines der ersten Raumfahrer: Es habe ihn, als er von so weit oben herabsah, die große Liebe zu dieser Erde erfasst und niemals mehr losgelassen.

In einem Teil seines Werkes hat sich der Maler selbst bis hinauf in Satellitenhöhe bewegt. Dann werden die Formen seltsamerweise konkreter. Die zart leuchtenden Linien der Meeresufer oder dunkel schraffierte Felsengebirge bilden die Akzente und der Farbenkanon verschiebt sich hin zum Blauen und Blaugrünen. Ein märchenhafter Spaziergang für die Augen und die Seele sind auch diese Bilder. Eine dritte Gruppe von Arbeiten ist von anderer Art: Hier geht es um das Wasser und was es mit dem Untergrund macht, über dem es sich erhebt, in ständiger Bewegung und doch auf gewisse Weise statisch. In diesen Bildern ist Dynamik. Tang gibt sich der Strömung hin und wallt an seinen Platz zurück, Lichtflecken kommen und vergehen, dunkle Formen verwandeln sich ständig, wenn Schwebstoffe wie Wolken an ihnen vorüberziehen und das Licht diffundieren. ' Ich mag das, es ist eine Herausforderung für mich ', sagt Wolfgang Sinwel, ' Schärfe und Unschärfe gegeneinander auszuloten '.

Nach Charon, dem Fährmann, der den Nachen an das andere Ufer des Styx bringt, hatte er diese Serie benannt. Das ist einleuchtend, denn was wissen wir schon von dem dunklen Fluss, den jeder irgendwann überqueren muss? Eine andere Herausforderung, der sich der Künstler gestellt hat, nämlich Abschied vom Bild an der Wand zu nehmen und seine Motive zu zerteilen und auf Reihen beliebig arrangierbarer Kuben zu kleben, mag allerdings den Puristen eine kleine Schwierigkeit bereiten. Design, wenn auch von hoher künstlerischer Qualität, ist sehr nahe.



 
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