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DEM GEGENSTAND ENTHOBENE LANDSCHAFT

Nach längerer Zeit geringen Interesses findet die "Landschaft" wieder großen Zuspruch beim kunstverständigen Publikum. Bilder zu diesem Thema des Wiener Malers Wolfgang Sinwel stellt die Galerie des Kunstverlages Weingarten bis zum 14.6. aus. Wolfgang Sinwel ist 1954 in Wien geboren, wo er auch seine künstlerische Ausbildung als Schüler von R.Hausner, einem bedeutenden Vertreter des Wiener "Phantastischen Realismus", erhielt. Der gleichen Schule entstammen übrigens Friedrich Hechelmann, dessen Bilder und Illustrationen zu Opern von Richard Wagner weit über die schwäbische Region hinaus bekannt sind, und Thom Barth, ein Studienkollege von Sinwel.

Doch Nachklänge des Wiener Realismus - auch im wörtlichen Sinne - sind bei Sinwel allenfalls in den Zeichnungen erkennbar. Auf diffusen Strukturen, die sich mehrlagig ineinander weben, erheben sich streng perspektivisch dargestellte Körper, manchmal sehr konkret - ein Brücke zum Beispiel - in anderen Fällen oft undefinierbare Gegenstände in ihrer harten und klaren Linienführung wie gläserne Objekte.

Die Zeichnungen sind für ihn häufig Vorarbeiten zu späteren Gemälden. So überrascht es nicht, daß sie bereits seine Prinzipien der Bildaufteilung aufweisen: Aus einem sehr blassen Vordergrund, den er oftmals wie überbelichtet unbearbeitet läßt, entwickeln sie sich in der Tiefe zu substanzieller Struktur, ohne jedoch konkretere Konturen zu zeigen - ausgenommen die erwähnten "Glaskörper" der Zeichnungen. Kennzeichnend für alle ausgestellten Werke, sie sind alle jüngeren Datums, ist der weit oben im Bildrand angelegte Horizont. Die Landschaften muten so aus der Luft betrachtet an. Als ob der Betrachter selber schweben würde, sieht er weit unter sich ahnbare, aber nicht als solche erkennbare Wälder, Bergtäler und öde Wüsten. Bedeutend zu diesem Eindruck trägt die trübe, wie in Nebel getauchte Farbgebung bei.

Überwiegend bevorzugt Sinwel die erdigen Tönungen zwischen gebranntem Siena und Veroneser Grün, nur sehr spärlich finden sich lichte Farben in seinen Bildern. Der Titel "Landschaften" läßt sich, bei allen fühlbaren Naturbezügen, nur im übertragenen Sinne verstehen. Nichts, was er darstellt, hat Sinwel so wirklich gesehen. Vielmehr scheinen sie aus dem Erlebnis der Verwandtschaft von Naturstimmungen und eigenem innerem Seelenzustand entstanden zu sein. Der gemeinsame Konsens lautet dabei, streng vereinfacht: Versinken, Stürzen in sich selbst und Auflösen in der Weite des Raumes. Die amorphen, schwer in sich lastenden Stimmungen sprechen den Betrachter unmittelbar an, versetzen ihn allerdings auch in Beklommenheit. Neben den Zeichnungen besteht die Ausstellung zum großen Teil aus Werken, die in Mischtechnik auf Papier gearbeitet sind. Ein weiterer bedeutender Teil ist in Öl auf Holz ausgeführt.



 
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