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Adam hatte also sieben Töchter. Möglicherweise hatte er den Verlust des Paradieses auf diese Art zu kompensieren versucht. Allem Anschein nach war zu diesem Zeitpunkt die Fortpflanzung noch nicht richtig konfiguriert gewesen. Wie sollten wir uns sonst die offensichtliche Gleichaltrigkeit der Töchter erklären. Eineiige Mehrlinge - ohne Zweifel. Adam, der Vater, in gespenstisch ungesund wirkendes Licht getaucht, lässt es auf seinem heiligenscheinähnlich umrahmten Haupt geschehen. Sieben weibliche, noch jungfräuliche Wesen vergnügen sich, unbedarft, was die Zukunft bringen könnte. Doch wo war Eva. Hatte sie, in Enstprechung dieses ausgelebten Ödipuskomplexes, sich mittlerweile mit männlichen Nachkommen umgeben?

Rudolf Hausner blickt nach innen - blickt in sich hinein, hat das Abgelebte ebenso wie das Heranwachsende in seiner Arbeit zum Thema stilisiert. Er nimmt Adam's Abbild unermüdlich und bedeutungsschwanger in sein Oeuvre und versucht gleichzeitig, die Psychoanalyse, basierend auf Sigmund Freud, als Entwicklungs- und Interpretationsmodus zu verarbeiten. Anthropozentrisch, religiös, würde ich meinen. Ich denke, Rudolf Hausner war ein gläubiger Mensch. Versorgt mit dem Schöpfer und der zugehörigen Schöpfungsgeschichte findet die Auseinandersetzung mit dem Dasein statt.

Meine ersten malerischen Schritte akademischen Ausmaßes absolvierte ich unter den Augen dieses Malers Rudolf Hausner. Hatte vielleicht zuwenig Freude an seiner Freud'schen Orientierung, bin dann dem anthropofugalen Denker und Schriftsteller Ulrich Horstmann begegnet und habe so den Dingen ihren Lauf zu lassen gelernt. Melancholisch, depressiv, sagt man mir deshalb gerne nach. Melancholisch lasse ich gelten, hat es doch mit einer versuchten Klarsicht der Dinge fernab jedweder Egozentrik zu tun. Adam fehlt in meiner Schöpfungsgeschichte stattdessen machen mich die emotional immer schwieriger zu handhabenden wissenschaftlichen Ergebnisse und die daraus resultierenden Verhaltensweisen des zu Ende gehenden Jahrtausends neugierig und denkwillig. Die sperrigen Nester - Wiege allen Lebens - sind verlassen (Nest:Vogel:fliegen - welch erhebender Gedankengang um unseren urzeitlichen Wunsch nach Flugfähigkeit). Kein Adam mehr in meiner Geschichte. Auch keine Eva, trotz aller Hochachtung und Befürwortung der längst fälligen Gleichstellung der Geschlechter. Die Nachkommenschaft hat sich absentiert, von den Altvorderen gelöst - wird anscheinend nicht mehr an den Ort des Geschehens (oder doch Nichtgeschehens) zurückkehren. Um in harmonisches : kontroverses Gleichgewicht mit Hausner's Arbeit treten zu können, haben nun invers Eva's Söhne ihren großen Auftritt. Die kindliche Leichtigkeit ist verloren, noch ahnungslos werden Adam's Töchter von ihren - geschlechtlich undefinierbaren - Widerparts umringt.

Nicht mehr (wie bei Hausner auf die Druckvorlage) gemalt, stattdessen am Bildschirm über Grafikprogramme per Maus digital gezeichnet und (in Einklang mit Hausner) gedruckt, blicken uns Wesen an, denen versteckt menschliche Aspekte aus den Augen leuchten. Nicht mehr eineiige Mehrlinge (siehe oben), stattdessen aus Modulen:Klebeetiketten generierte Wesen zeigen ihr gleichartiges Gesicht. Invitro, Hormonbehandlung oder Klone sind keine Fremdworte mehr. Unsere Artgenossen beginnen, andere Gestalt anzunehmen - und was ist naheliegender als die Annahme, dass damit untrennbar anderes Denk- und Handlungsvermögen verbunden ist.

Ob dabei unser hochverehrter Adam noch seine Würde aus der Menschheit Gnaden bewahren kann, wage ich zu bezweifeln. Eines steht fest: Beim Rausschmiss aus dem Paradies hatte er absolut noch keine Ahnung vom Y2k-Problem.

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eva's söhne 1999
12 digitalprints auf etiketten auf karton, format 16/22 5 "nester" aus naturmaterialien • eingebunden ist die farblithografie adam's töchter von rudolf hausner
 
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