kommentare/autoren/julia sparbe r'der blick von oben schärft die sinne'




Das Annähern an die Welt und an den Menschen aus höherer Sicht und das Spannungsfeld aus Nähe und Distanz sind der gemeinsame Nenner in den Werken des österreichischen Künstlers Wolfgang Sinwel.

Der 1954 in Wien geborene Wolfgang Sinwel hat seinen künstlerischen Weg gefunden: Er besieht die Erde aus der Luft - weil der Mensch nur von oben erkennt, was aus der Nähe nicht wahrgenommen wird. Sinwels Weg strebt nach oben, seine Gedanken sind himmelwärts gerichtet. Seine zumeist in dezenten Tönen gehaltenen Bilder sind vorbeiziehende, verschwommene Landschaften mit klaren, transparenten Botschaften: „Im Lauf des Tages“, „Durchatmen“,„Blickfang“, „In der Strömung verweilen.“ Das weite Land, auf das der Betrachter hinunterblickt, trägt in sich alles, was unseren blauen Planeten ausmacht: Tal und Strom, Ozean und See, sanft gehügelten Wald, wie auch mystische Nebelschwaden, die sanft verhüllen was darunter liegt.

Sinnlicher Freiraum
Sinwel zelebriert sehnsüchtige Weite in seinen Werken:„Distanz zu halten ist meine Art. Ich genieße meinen Freiraum, auch wenn mitunter der Anschein von Verlorenheit aufkommen mag.“ Sinwels Annäherung an seine sogenannten „Flugbilder“ geht von den verschiedensten Perspektiven aus: Vielflieger versuchen, sich geographisch zu orientieren, Piloten versuchen, ihre Flughöhe zu bestimmen, Historiker wollen zeitliche Zuordnung, Soziologen suchen die Bevölkerung, Meteorologen sehen die Wetterverhältnisse, Romantiker denken an ihr erstes Verliebtsein, Melancholiker an das Jenseits und andere Maler fragen sich einfach, wie diese Farbschichten in Wolfgang Sinwels Bildern zustande gekommen sind. All diese pragmatischen Ansichten bezieht der Künstler in sein Schaffen ein und lebt dabei sein Bedürfnis nach Freiheit aus: „Trotz intensiver Suche meinerseits bin ich bislang auf keinen Künstler gestoßen, der mir diesen bildlichen Freiraum gewährt. Also muss ich es selbst tun.“ Der Künstler lotet Schärfe und Unschärfe gegeneinander aus: Zart leuchtende Linien der Meeresufer oder dunkel schraffierte Felsengebirge bilden Akzente, Lichtflecken kommen und vergehen, dunkle Formen verwandeln sich in vorüber ziehende Wolken.

Wolfgang Sinwels „Flugbilder“ sind Darstellungen transformierter Natur aus der Vogelperspektive. Fliegen wie ein Vogel war bereits für den kleinen Wolfgang ein Lebenstraum, den er sich heute als Maler mit Pinsel und Farbe erfüllt. In seinen Werken wird die tiefe, menschliche Sehnsucht nach dem schwerelosen Blick auf die Welt sichtbar.

Das Bild entsteht im Atelier
Wolfgang Sinwel studierte von 1973 bis 1977 bei Professor Rudolf Hausner und erhielt im Abschlussjahr den Kardinal-König-Preis. Diese Auszeichnung war Initialzündung für den mutigen Schritt sich ausschließlich der freiberuflichen Malerei zu widmen. Ab dieser Zeit verbrachte er viele Stunden des Tages in seinen Ateliers, die zumeist „aus Kostengründen ebenerdige Räume mit kleinen Fenstern waren.“ Das beinahe ganztags notwendige Kunstlicht brachte Werke von dunkler Farbigkeit hervor, dicht in ihrer Empfindung, bisweilen mit einem starken Hang zur Schwermütigkeit. „Es dauerte eine Weile, bis mir bewusst wurde, welchen Einfluss die Ateliersituation auf die dort entstehenden Werke ausübt“, erzählt der Künstler. Seit 2000 hat sich „das Blatt zur Sonne gewendet“. Sein jetziges Atelier ist ein heller Dachraum, das die Tages- und Witterungsverläufe spürbar werden lässt und für die Vogelperspektive in seinen Arbeiten durchaus förderlich ist. Fazit: Seine Bilder sind seither heller, zugänglicher, lebendiger. Auch wenn sein persönlicher Zugang zur Malerei ein ernsthafter bleiben wird, kommt nun auch das Vergnügen des Künstlers durch. Sinwel arbeitet mit Lasurtechniken, mit denen er eine hintergründig leuchtende, fast unvorstellbar nuancenreiche Farbenvielfalt erschafft.

Dieser Artikel erscheint im Österreichischen Magazin ECONOVA, Ausgabe Februar 2009, Erscheinungsort Innsbruck.
 
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